Ministergespräch der LEV zum Thema: „Änderung des Thüringer Schulgesetzes und des Thüringer Gesetzes über die Finanzierung der staatlichen Schulen“

Gespräch der LEV mit Herrn Minister Matschie zum Gesetzentwurf zur Gemeinschaftsschule

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Am 23.08.2010 konnte die Landeselternvertretung in einem konstruktiven und sachlichen Gespräch mit Herrn Minister Matschie die Meinungen zum Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Schulgesetzes austauschen. Herr Minister Matschie hatte sich des Sachverstandes der Fachebene versichert. Ausdrücklich hervorgehoben werden muss, dass trotz entgegenstehender enger Terminplanung das Ministerium fast drei Stunden der Landeselternvertretung zur Verfügung stand.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass in einigen Punkten Annäherung, zumindest Verständnis, erreicht werden konnte, in anderen Fragen jedoch auch weiterhin gegensätzliche Auffassungen vertreten werden.

Im Folgenden wird ausgehend von der Stellungnahme der LEV vom 21.08.2010 das Ergebnis der Besprechung dargestellt:

Zu II.1

Durch den Minister wurde deutlich darauf hingewiesen, dass, entgegen anderslautender Medienberichte, das Ministerium die übrigen Aufgabengebiete nicht zugunsten der Gemeinschaftsschule vernachlässige. Nach Herrn Minister Matschie erfordere, dies sei auch nicht neu, die jeweilige Aufgabenstellung eine Konzentration von Ressourcen. Die Befassung mit der Einführung der Gemeinschaftsschule führe aber nicht zu einem Ressourcenentzug. Vielmehr hätten die übrigen Aufgaben (z. B. flexible Schuleingangsphase, Reform Sek. I und II) einen Stand erreicht, der es erlaube, an diesen Stellen den Aufwand anzupassen.

Des Weiteren informierte das Ministerium über die laufenden und geplanten Unterstützungssysteme zur Weiterentwicklung der Schulen.

Einigkeit herrschte darüber, dass die derzeitige Lehrersituation differenziert zu betrachten ist. Auf der einen Seite stehen ca. 1.200 Überhangstellen zur Verfügung. Dieser Überhang wird erwartungsgemäß bis zum Jahr 2014 abgebaut sein. Andererseits sei festzustellen, dass es sich hierbei um eine rein rechnerische bzw. statistische Größe handelt, die nur unzureichend die Erfordernisse vor Ort, insbesondere an Fachlehrern bestimmter Fächerkombinationen, widerspiegelt. Nach Aussage durch Herrn Minister Matsche erlauben die vorhandenen Haushaltsmittel und arbeitsrechtliche Restriktionen nicht, dass Neueinstellungen in gewünschter Zahl erfolgen.

Die durch die Überhangstellen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten gebieten die Umsetzung des Gemeinschaftsschulkonzeptes zum jetzigen Zeitpunkt. Das Ministerium verwies weiter darauf, dass das Gesetz nur Rahmenbedingungen beschreiben könne. Die weitere Untersetzung erfolge durch Verordnungen und Richtlinien.

Die LEV unterstrich ihre Forderung, dass auch weiterhin ein enges Unterstützungs- und Evaluationssystem für die Schulen, insbesondere die neu zu schaffenden Gemeinschaftsschulen erforderlich sei. Die hierfür zusätzlich notwendigen Ressourcen sind zu schaffen. Auch wenn derzeit eine genaue Planung nicht möglich ist, da nicht genau abgesehen werden kann, wie viele Schulen sich auf den Weg zur Gemeinschaftsschule begeben werden, sollte zumindest ein entsprechender Hinweis in der Gesetzesbegründung erfolgen.

Zu II.2

Erwartungsgemäß konnte bei der Frage der Chancengerechtigkeit keine Annäherung erreicht werden, da die hierfür notwendigen Haushaltsmittel nicht zur Verfügung gestellt werden.

Trotz geäußertem Verständnis für die Anliegen der Eltern wurde durch das Ministerium darauf hingewiesen, dass Thüringen im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit die höchsten Ausgaben je Schüler im Bildungsbereich aufwende. Unter Beachtung der notwendigen Sparanstrengungen des Landeshaushaltes seien weitere Ausgaben nicht durchsetzbar.

Zu II.3

Es verbleibt dabei, dass die LEV nicht überzeugt werden konnte, dass die Gemeinschaftsschule zur Sicherung kleiner Schulstandorte beitragen könnte. Auch die geäußerten Bedenken hinsichtlich der veränderten Wettbewerbssituation vor Ort ließen sich nicht entkräften.

Zu II.4

Einigkeit besteht dahingehend, dass eine idealtypische Gemeinschaftsschule die Klassenstufen 1 bis 12 umfassen sollte. Einer Verpflichtung hierzu wurde jedoch unter Hinweis auf die Einräumung möglichst großer Gestaltungsspielräume der Akteure eine Absage erteilt.

Hinsichtlich einer stärkeren Einbindung der Grundschulen wurde signalisiert, dass die Argumente der LEV geprüft werden und ggf. eine Schärfung des Gesetzestextes erfolge.

An der stringenten Einbindung eines Gymnasiums über die Verpflichtung zur Kooperation durch den Schulträger wird durch das Ministerium weiter festgehalten. Zur Begründung wurde durch das Ministerium ins Feld geführt, dass die Schulweggarantie gewährleisten müsse, d. h. jedem Gemeinschaftsschüler müsse die Möglichkeit gegeben werden, jeden Schulabschluss erreichen zu können. Dieses Argument überzeugte die LEV angesichts der Möglichkeiten zum Abschluss nicht. Es verblieb damit bei den gegensätzlichen Standpunkten.

Zu II.5

Soweit die LEV fordert, dass auch Förderschulen bzw. –zentren die Möglichkeit eingeräumt wird, sich zur Gemeinschaftsschule umzuwandeln, lehnte dies das Ministerium ab. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, dass eine Gemeinschaftsschule eine breite Schülerbasis benötige. Dies sei aufgrund der Besonderheiten der Förderschulen und –zentren nicht realistisch zu erwarten. Darüber hinaus erfüllen diese Einrichtungen hochspezialisierte Aufgaben der Förderung.

Das Ministerium sagte zu, die Forderung der LEV, die Verpflichtung der Gemeinschaftsschule zur Inklusion konkreter im Gesetz zu formulieren, zu prüfen. Es wies aber auch darauf hin, dass die Verpflichtung zur Förderung des gemeinsamen Unterrichts für alle Schularten bereits im Schulgesetz geregelt sei. Diese treffe damit auch die Gemeinschaftsschulen. Bei der Zuweisung förderbedürftiger Schüler an Schulen zum gemeinsamen Unterricht sei davon auszugehen, dass Gemeinschaftsschulen aufgrund ihres individualisierten Konzepts heterogener Lerngruppen hierfür prädestiniert seien und deshalb wohl bevorzugt ausgewählt würden.

Insoweit die LEV erinnerte, dass Inklusion nicht nur die Förderung von Schülern mit Handicap sondern genauso von hoch- und höchstbegabten Schülern umfasst, wurde dies durch das Ministerium als Aufgabenstellung gerade auch der Gemeinschaftsschule bestätigt. Hier wurde eine Prüfung zugesagt.

Zu II.6

Wenngleich Einigkeit erzielt werden konnte, dass die Umwandlung zu einer Gemeinschaftsschule einen längeren Prozess erfordere, konnten dem Ministerium keine Zugeständnisse hinsichtlich der Schaffung einer Gemeinschaftsschule in Gründung abgerungen werden.

Auch die Weiterführung der wissenschaftlichen Begleitung, die aktuell für die Pilotschulen vorgehalten wird, für alle neuen Gemeinschaftsschulen wurde nicht zugesagt. Vielmehr wurde hier auf die bestehenden Systeme der Schulaufsicht und -förderung verwiesen.

Zu II.7

Hier stellte das Ministerium klar, dass es sich bei den mindestens anzubietenden abschlussbezogenen Anspruchsebenen bis Klasse 8 um die gymnasiale und regelschulische handelt. Erst ab Klasse 9 ist zwingend zusätzlich der Hauptschulabschluss einzubeziehen. Begründe ist dies darin, dass bis einschließlich Klasse 8 Unterschiede zwischen dem realschulischen und dem hauptschulischen Anspruchsebenen nicht gegeben sind. Dies vorausgesetzt, können die weiter angesprochenen Fragen als geklärt angesehen werden.

Durch das Ministerium wurde eine Prüfung in Aussicht gestellt, die Inhalte klarer, ggf. in der Gesetzesbegründung, darzustellen.

Zu II.8

Trotz umfangreicher Diskussion konnte hier keine verbindliche Aussage erlangt werden.

Im Gegenteil bestand das Ministerium ausdrücklich auf der Beibehaltung seines Entscheidungsrechtes im Konfliktfall zwischen Schule und Schulträger. Dies sei erforderlich, da die Einführung der Schulart Gemeinschaftsschule auch einen Anspruch auf Bereitstellung beinhalte. Es müsse gewährleistet sein, dass nach entsprechender Zeit jeder Schüler in Thüringen die Möglichkeit habe, unter zumutbaren Bedingungen eine Gemeinschaftsschule zu besuchen. Die Bedenken dahingehend, dass gegen den Willen der Beteiligten eine Umwandlung stattfinden könne, versuchte das Ministerium damit zu entkräften, dass dies aufgrund der objektiven und rechtlichen Bedingungen nur Fälle betreffen könne, in denen die Zustimmung des Schulträgers aus sachfremden Erwägungen heraus abgelehnt werde. Eine Entscheidung gegen den Willen der Schule scheide aus, da der Gesetzentwurf zwingend vorsehe, dass bei Umwandlung das Konzept durch die umzuwandelnde Schule unter Einbeziehung der Schulkonferenz entwickelt werden muss.
Nicht ausgeschlossen wird die Möglichkeit des Schulträgers, eine bestehende Schule zu schließen und als Gemeinschaftsschule neu zu eröffnen.

Hinsichtlich der Frage der Freiwilligkeit der Kooperation mit einem Gymnasium konnte ebenfalls aus den bereits dargestellten Gründen keine Annäherung gefunden werden.

Zu II.9

Bezüglich der geplanten Änderungen im Bereich des beruflichen Gymnasiums wurden die Argumente aus der Gesetzesbegründung wiederholt. Der sich nicht sofort erschließende, verbleibende Unterschied zwischen einem Gymnasium und einem beruflichen Gymnasium erklärte das Ministerium mit weiter bestehenden Unterschieden in der Stundentafel.

Auf die Forderung der LEV die Schulbildung grundsätzlich auf min. 10 Jahre auszudehnen, sagte das Ministerium eine Prüfung der derzeitigen Situation zu. Es soll untersucht werden, wie viele der Hauptschulabgänger nach 9 Jahren ohne weitergehenden Bildungsgang ein Berufsausbildungsverhältnis eingehen können. Des Weiteren soll untersucht werden, ob die These zutrifft, dass die Chancen hierfür mit zunehmendem Alter wachsen.

Soweit es sich nicht bestätigt, dass die Chancen am Ausbildungsmarkt nach 10 Schuljahren wesentlich besser sind, lasse sich nach Auffassung des Ministeriums kein Grund finden, das Recht zum Schulabschluss nach 9 Jahren einzuschränken. Das Ministerium verwies ergänzend darauf, dass es bereits jetzt aufgrund der flexiblen Schulausgangsphase Möglichkeiten zum längeren Schulbesuch gebe.