VON NADINE ANSCHÜTZ
ILMENAU – Als ihr Name gegen 18 Uhr erklingt, geht für Simona Wulf ein Tag voller Anspannung zu Ende. Dreieinhalb Stunden hat die 17-Jährige an vier Physikaufgaben geknobelt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Denn die zweite Runde der 16. Landesolympiade Physik an der Ilmenauer Goetheschule hat die Zwölftklässlerin mit 36 von 40 möglichen Punkten abgeschlossen.
Die Überraschung ist perfekt, als Eberhard Koch, Lehrer für Mathe und Physik an der Goetheschule, zur Siegerehrung verkündet, dass unter den 14 Zwölftklässlern weder ein dritter noch ein zweiter Platz hatten verteilt werden können. Stattdessen haben mit Simona Wulf, Sebastian Kerkmann und Nils-Edvin Enkelmann gleich drei Fast-Abiturienten den ersten Platz ihrer Klassenstufe erreicht. Ein weiterer Grund zur Freude: Alle drei Schüler lernen an der Goetheschule.
Dass immer wieder die Namen von Schülern der Gastgeberschule aufgerufen werden, ist jedoch nicht allzu verwunderlich. Haben doch neben dem Goethegymnasium nur noch zwei Saalfelder Oberschulen sowie das Königseer Gymnasium „Dr. Max Näder“ junge Physiktalente zum Regionalwettbewerb entsandt. Deshalb kommt Sigrid Fischer, stellvertretende Leiterin des Schulamtes Rudolstadt, zur Siegerehrung nicht umhin, ihre Enttäuschung darüber kundzutun: „Ich bin wirklich traurig, dass Arnstadt und auch das zweite Ilmenauer Gymnasium keine Teilnehmer hatten. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass es dort keine an der Physik interessierten Schüler gibt.“
Immerhin: 117 Physikfans im Schulamtsbereich hatten die erste Qualifikationsrunde – eine Arbeit, deren Aufgaben die Schüler zwischen September und Anfang November zu Hause mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln hatten lösen können – so gut gemeistert, dass sie vom Bewertungskomitee zur zweiten Wettbewerbsstufe nach Ilmenau eingeladen wurden. Hier nun waren Zeit und Hilfsmittel für die 100 erschienenen Schüler begrenzt. Der Test wurde unter Klausurbedingungen geschrieben. Je eine Aufgabe zu Strahlenoptik, Wärmelehre, Mechanik und Elektrik hatten die Teilnehmer zu lösen. Schüler der siebenten bis neunten Klassen hatten dafür zweieinhalb, die Zehnt- bis Zwölftklässler dreieinhalb Stunden Zeit.
Für die Korrektur hatten sich nicht nur Physiklehrer der Goetheschule eingefunden. Insgesamt 16 Korrektoren, darunter Physiklehrer anderer Gymnasien des Schulamtsbereichs, ein ehemaliger Pädagoge der Goetheschule sowie drei Studenten der TU Ilmenau, beteiligten sich an der Auswertung.
Während dieser hatten die jungen Leute Gelegenheit, in teilweise für sie ganz neue Bereiche der Physik einzutauchen. Denn Schüler der 12. Klassen des Goethegymnasiums stellten ihnen ihre Seminarfacharbeiten zu den Themen „Amateurfunk“, „Digitale Fotografie und die Zukunft der analogen“ sowie “'Klausi', ein Fahrzeugmodell mit Erkennung der Umgebung und selbstständiger Steuerung durch unbekanntes Gelände“ vor.
Auch wenn diese Form der Ablenkung eine interessante war, die Siegerehrung und damit die Bekanntgabe der einzelnen Leistungen rückten näher und näher. Doch bevor die Plätze drei bis eins vergeben werden, können in diesem Jahr erstmals zwölf Schüler für besondere Leistungen – beispielsweise für besonders gut gelöste Aufgaben – geehrt werden. Möglich gemacht hat dies, dass mit der Ilmenauer „ILMVAC GmbH“ erstmals ein Sponsor die bisher nur vom Freistaat bezuschusste Landesolympiade zusätzlich unterstützt. „Dadurch können wir von der materiellen Seite her sorglos an den Ausscheid herangehen“, erklärt Eberhard Koch die Situation. Und Kollege Burkhard Zange fügt erfreut hinzu: „Bei dieser Unterstützung handelt es sich um Summen, mit denen wir sehr gut arbeiten können.“ Schließlich könne man nun Buchpreise vergeben, die sehr hochwertig seien, plus eben auch einzelne Leistungen anerkennen, die sonst unerwähnt blieben, weil sie in ihrer Summe nicht für eine Platzierung reichten.
Doch freilich werden letztlich dann auch die besten unter den in der Turnhalle der Goetheschule geduldig wartenden Physik-Assen aufgerufen. Auf die ersten Plätze geschafft haben es ausnahmslos Goetheschulgymnasiasten. Die höchsten Punktzahlen ihrer Klassenstufen erreicht haben: Johannes Mitschunas (7. Klasse, 33 Punkte), Sebastian Mohr (8. Klasse, 30 Punkte), Christoph Wolff (9. Klasse, 39 Punkte), Susanne Sumi (10. Klasse, 25 Punkte), Ulrich Zorn sowie Dirk Weißenborn (11. Klasse, beide 39 Punkte) und Simona Wulf, Sebastian Kerkmann sowie Nils-Edvin Enkelmann (12. Klasse, jeweils 36 Punkte).
Auch wenn er darüber enttäuscht ist, dass es unter den 21 angetretenen Zehntklässlern keinen gibt, der an die 30-Punkt-Marke herangekommen ist, zeigt sich Eberhard Koch mit den Ergebnissen insgesamt zufrieden. Schließlich hätten viele Schüler mit sehr guten Leistungen gezeigt, dass der für Lehrer wie Schüler bestehende „Stress sich immer wieder lohne“.
Ob er sich auch für Simona in Form einer Teilnahmeberechtigung für die dritte und letzte Runde der Landesolympiade ausgezahlt hat, wird sich in den kommenden Wochen zeigen. Erst wenn alle in Thüringen teilnehmenden Schulen ihre Ergebnisse der Regionalausscheide vorliegen haben, wird ein Komitee die Schüler ermitteln, die die insgesamt besten Resultate erzielt und sich so für die im April in Erfurt stattfindende dritte Runde qualifiziert haben. Dass sie darunter ist, hofft Simona sehr. Schließlich nimmt sie seit der 7. Klasse am Ausscheid teil, war zweimal in der dritten Runde dabei und hat hier in der 8. Klasse sogar den ersten Platz ihrer Alterstufe erreicht.
Die Möglichkeit, in Erfurt dabei sein zu können, wäre für sie auch ein prima Abschluss vom Schulleben, in dem Mathe und Physik ihre Hitliste der Lieblingsfächer anführen. Doch ist die 17-Jährige, die in ihrer Freizeit Klavier spielt, Jazz- und Gesellschaftstanz lernt und Nachhilfestunden für jüngere Schüler in Mathematik und Physik gibt, an diesem Abend erst einmal froh, die zweite Stufe so gut erklommen zu haben. Schließlich „waren die Aufgaben diesmal sehr viel schwerer als im vergangenen Jahr“.
Grund zur Freude hatten alle ausgezeichneten Physik-Asse. Mit Sebastian Kerkmann, Nils-Edvin Enkelmann und Simona Wulf (erste Reihe v.l.n.r.) erzielten gleich drei Zwölftklässler einen ersten Platz. FOTO: DINE
Volle Konzentration auf der Suche nach der Lösung der Physik-Aufgaben. FOTO: b-fritz.de