Berufsberatung, Förderung, Hilfe, Vermittlung, Ärger: Irgendwann im Leben hat fast jeder Jugendliche mit der Agentur für Arbeit zu tun. Ihr Chef in Südthüringen ist Uwe Minta. @ttention! sprach mit ihm über die Angebote und Chancen für junge Leute in der Region.
Herr Minta, welches sind die Aufgaben, die die Agentur für Arbeit zu erfüllen hat?
Uwe Minta: Wir kümmern uns um alle Fragen des Arbeitsmarktes, das heißt auf der einen Seite um die Menschen, die Beschäftigung suchen und in diesem Zusammenhang Dienstleistungen nachfragen und auf der anderen Seite um die Unternehmer in der Region, die Arbeitskräfte benötigen. Daneben bieten wir weitere Produkte und Dienstleistungen, die auch finanzieller Art sind. Wir haben einen breiten Aufgabenkatalog, den wir sehr flexibel anwenden. Es gibt einen gesetzlichen Rahmen, der Spielraum lässt, um in der Region bedarfsgerechte Dienstleistungen anzubieten.
Wie finanziert sich die Agentur?
Uwe Minta: Wir finanzieren uns über Beiträge. In der Vergangenheit gab es stets einen Zuschussbedarf aus Bundesmitteln. Seit vergangenem Jahr benötigen wir den nicht mehr. Das hat einerseits mit der Neustrukturierung der Agentur zu tun, andererseits aber auch mit der guten konjunkturellen Entwicklung. Wir haben mittlerweile einen Überschuss von bundesweit etwa elf Milliarden Euro. Diesen verwenden wir einerseits dazu, die Beiträge zu senken, mit einem Teil bilden wir Rücklagen, um finanziell gerüstet zu sein.
Reden wir über Jugendliche, die keine Lehrstelle gefunden haben: Ist die überbetriebliche und geförderte Ausbildung eine echte Chance oder nur ein Trick für die Statistik?
Minta: Wir fördern Berufsausbildung ja nicht, um Statistiken zu gestalten. Es geht darum, jungen Leuten Chancen zu eröffnen, einen guten und nachhaltigen Start ins Berufsleben zu bekommen. Ein Mittel dazu ist auch die überbetriebliche Ausbildung. In naher Zukunft werden durch die günstige wirtschaftliche Lage auch mehr Unternehmen in der Lage sein, auszubilden. Fakt ist, dass wir weniger mit öffentlichen Mitteln gegensteuern müssten, wenn das betriebliche Ausbildungsangebot größer wäre.
Wird – gerade im geförderten Bereich – nicht all zu oft am eigentlichen Bedarf vorbei ausgebildet?
Minta: Modeberufe gibt es immer. Wir bilden keine Berufe mehr aus, wo wir klar erkennen können, dass keine Nachfrage besteht. Dennoch müssen wir bei der Festlegung der Ausbildungsziele auch immer auf die Neigungen der Menschen eingehen. Es ist wichtig, dass die jungen Leute ihre Ausbildung nicht in irgendeinem Glaskasten absolvieren, sondern dass sie soweit wie möglich den betrieblichen Alltag miterleben. Es gibt aber immer auch einen Personenkreis, den man selbst bei sehr guter wirtschaftlicher Lage nicht auf dem Arbeitsmarkt unterbringt. Auch um diese Leute müssen wir uns kümmern.
Welche Aufgaben kann die Berufsberatung erfüllen?
Uwe Minta: Die Arbeitsagentur und ihre Berufsberater leisten in großem Umfang Aufklärung über Berufsinhalte und geben Hilfe zur beruflichen Orientierung. Eine qualitativ hochwertige berufliche Orientierung kommt Jugendlichen sehr zu Gute, weil wir so Ausbildungsabbrüche, die ja auch Geld kosten, vermeiden können. Jugendliche sollen künftig bei der Arbeitsagentur nicht nur die Möglichkeit haben, sich zu informieren, sondern sie sollen sich mit unserer Hilfe auch praktisch ausprobieren können. Das können wir als Agentur alleine nicht leisten. Darum haben wir uns Partner gesucht, die den Jugendlichen anschaulich und ganz praktisch die Berufsinhalte vermitteln. Ein weiterer wichtiger Teil unserer Arbeit ist die Ausbildungsvermittlung.
Erfolgt eine solche Orientierung ergebnisoffen?
Uwe Minta: Jugendliche sollen sich ausprobieren und Möglichkeiten der vertieften Berufsorientierung nutzen. Betriebspraktika sind sehr gut geeignet, um die Jugendlichen auf das spätere Berufsleben vorzubereiten. Und wenn dabei herauskommen sollte, dass der Beruf nicht den Vorstellungen entspricht, haben die Jugendlichen auch etwas gekonnt. Praktika machen nur Sinn, wenn sie über einen längeren Zeitraum laufen. Wenn jemand nur ein paar Tage in eine Firma hineinschnuppert, ist der Erkenntnisgrad für die Berufsentscheidung relativ gering. Ideal wäre so eine Art Patenschaft: Betriebe eröffnen jungen Menschen in der Umgebung die Möglichkeit, bei ihnen zu arbeiten. Ob in den Ferien, am Nachmittag oder am Wochenende ist dabei relativ egal. Das bietet große Chancen für alle Beteiligten, denn die jungen Leute lernen die Arbeitswelt kennen und die Betriebe das Potenzial der möglichen Bewerber. Das ist zweifelsohne besser als das reine Studium von Bewerbungsunterlagen oder ein kurzes Bewerbungsgespräch.
Azubis und Praktikanten fühlen sich oft ausgenutzt, ja ausgebeutet. Hat die Arbeitsagentur Möglichkeiten, schwarze Schafe unter den Ausbildern zu benennen und zu belangen?
Uwe Minta: Wir als Agentur sind Dienstleister und keine Ordnungsbehörde. Daher ist es nicht unsere erste Aufgabe, solchen Leuten auf die Finger zu klopfen. Dennoch sind wir gehalten, die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen konsequent zu beobachten, und das tun wir auch. Wenn wir feststellen, dass aus dem Praktikum kaum jemand in ein Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis einmündet, werden wir die Zusammenarbeit mit diesem Unternehmen gründlich überdenken. Wir sind schließlich nicht dafür da, Betriebe mit Praktikanten zu versorgen, sondern mit Arbeitskräften und an der Begründung von Ausbildungsverhältnissen mitzuwirken. Wir haben da in der Vergangenheit sehr viel lernen müssen. Wenige Betriebe haben Praktika und Trainingsmaßnahmen ausgenutzt, um billige Arbeitskräfte zu bekommen. Wer über solche Angebote Erkenntnisse hat, soll das bei den zuständigen Kammern anzeigen. Unternehmen, in die durch die Arbeitsagentur Auszubildende vermittelt werden, müssen in jedem Falle eine Ausbildungsberechtigung der zuständigen Kammer haben.
Neben den Veranstaltungen des Berufsinformationszentrums gibt es alljährlich die Studienkundliche Vortragsreihe. Wie war die Resonanz in diesem Jahr?
Uwe Minta: Wir machen das bereits seit vielen Jahren und wir machen das sehr erfolgreich. In diesem Jahr waren immerhin 1 600 Leute dabei, darauf sind wir stolz. Für mich stellt sich die Frage nicht, ob diese Reihe fortgesetzt wird, sondern viel mehr, ob man ein solches Angebot nicht häufiger macht. Allerdings ist eine solche Offerte auch immer mit großen Anstrengungen verbunden, nicht nur bei uns, sondern auch bei unseren Partnern wie der Technischen Universität Ilmenau, der Fachhochschule Schmalkalden und den anderen Einrichtungen, die aus ihrem Lehralltag berichten. Wichtig war uns in diesem Jahr, über die neuen Studienabschlüsse zu informieren. Es gibt nicht nur bei jungen Leuten sondern auch in den Unternehmen und bei der Lehrerschaft einen großen Informationsbedarf zu den Abschlüssen Master und Bachelor. Wir sehen diese Vortragsreihe nicht als eine einmalige Aktion für Zwölftklässler, die Reihe richtet sich ganz bewusst an die Bildungselite, weil wir in Südthüringen gut qualifizierte Leute brauchen. Wir freuen uns durchaus auch über jüngere Schüler, die etwa vor der Entscheidung stehen, ob es für sie Sinn macht, eine weiterführende Schule zu besuchen.
Wie können aber junge und engagierte Leute motiviert werden, auch nach einer erfolgreichen Ausbildung hier zu bleiben?
Uwe Minta: Wir können sie sicherlich nicht in der Region halten, wenn wir ihnen etwas vormachen. Es ist niemandem geholfen, wenn wir etwas schön reden. Wir halten die Leute nur dadurch hier, wenn wir ihnen alle Möglichkeiten, die sie objektiv haben, darstellen und transparent machen. Wir sehen das als Kernaufgabe und bemühen uns, die Partner, die zusammen gehören, auch zusammen zu bringen. Das tun wir durch Vermittlungsbörsen, Fachkräftebörsen wie Re- Thüringen und andere Maßnahmen. Seit einigen Wochen bieten wir auch eine Rückkehr-Beratung für interessierte Fachkräfte an. Jemand der hier bleiben möchte, will einfach wissen, ob es sich lohnt, welche Risiken und Möglichkeiten es gibt. Die Chancen in Südthüringen werden zunehmend besser.
Aber das Lohngefälle zu den südwestlichen Ländern ist doch weiter ein Thema...
Uwe Minta: In dem Maße, wie Südthüringen sichere Jobs anbieten kann, kann es auch die Menschen hier halten. Die Frage des Lohngefüges steht weit weniger im Mittelpunkt als die Frage der Arbeitsplatzsicherheit. Wenn eine ähnliche Arbeitsplatzsicherheit wie in Bayern oder Baden-Württemberg auch in Südthüringen geboten werden kann, wird ein Südthüringer sicherlich lieber hierbleiben. Dennoch dürfen junge Menschen die Region durchaus auch mal verlassen, um andere Kulturen und Rahmenbedingungen kennen zu lernen. Das kann für die Bereicherung nur gut sein. Die Leute kehren nur zurück, wenn sie hier eine Perspektive sehen. Umso besser, wenn sie als qualifizierte und erfahrene Fachkräfte zurückkehren.
Wie können Arbeitgeber gezwungen werden, sich um ihren eigenen Fachkräfte-Nachwuchs zu kümmern?
Uwe Minta: Ich versuche nicht in erster Linie, an das soziale Gewissen und die soziale Verantwortung der Unternehmen zu appellieren. Das treibt kein Unternehmen und das ist auch nicht die Hauptaufgabe eines Unternehmers. Er soll sein eigenes unternehmerisches Interesse im Blick haben, nur davon lebt er, das ist sein Job. Wenn ein Unternehmer nicht ausbildet, schneidet er sich in sein eigenes Fleisch, denn dann fehlen ihm die Fachkräfte, die er in Zukunft braucht. Der zunehmende Fachkräftemangel ist auch das Ergebnis einer unzureichenden Ausbildungspolitik. Noch haben wir relativ hohe Schulabgängerzahlen und insofern können die Unternehmen das Ruder noch rumreißen. Ich kann den Firmen nur sagen: Denkt an euch selber und bildet aus. Ansonsten habt ihr schon sehr bald ein Wettbewerbsproblem. Deutschlands Kapital ist das Wissen und Können seiner Fachkräfte. Wir werden in erster Linie Dienstleister sein, Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Dazu brauchen wir hoch qualifizierte Arbeitskräfte und wir brauchen dazu Wissen, Wissen, Wissen – Das ist unser Rohstoff. Wenn wir Menschen dieses Wissen nicht vermitteln, kann sich unsere Volkswirtschaft nicht ausreichend weiterentwickeln.
Wie können junge Leute motiviert werden, sich für ihre eigene berufliche Zukunft zu engagieren?
Uwe Minta: Für die Entwicklung und die Zukunft von Kindern sind in erster Linie die Eltern verantwortlich. Wir können Eltern, Pädagogen und den Leuten mit Rat und Hilfe zur Seite stehen und bei der Berufsorientierung helfen. Es ist uns auch wichtig, dass die Lehrer, die ja naturgemäß viel näher an den Schülern dran sind als wir, sich auch darum kümmern, dass sich die Schüler frühzeitig mit der Arbeitswelt auseinander setzen. Viele junge Leute wissen zu wenig, was nach der Schule in der Arbeitswelt auf sie zukommt. Die Schule muss mehr Wissen vermitteln, wie Wirtschaft und Arbeitswelt funktionieren. Dazu gehört auch die Rolle der Unternehmer in unserer Gesellschaft. Angesichts unserer relativ geringen Selbstständigenquote brauchen wir mehr Existenzgründer.
Was sagen sie jungen Leuten, die trotz zahlreicher Bewerbungen und guter Noten noch keine Stelle gefunden haben? Welche Möglichkeiten zum Berufseinstieg bieten sie solchen Jugendlichen?
Uwe Minta: Zunächst mal sollten die Leute sich weiter bewerben und den Kopf nicht in den Sand stecken. Für nicht vermittelte Bewerber gibt es eine ganze Reihe von Möglichkeiten, nicht auf der Straße stehen zu müssen. Es muss keiner zu Hause sitzen, wenn er das nicht will. Wir haben zum Beispiel die Einstiegsqualifizierung für Jugendliche (EQJ), in diesem Programm werden über 80 Prozent der Teilnehmer in eine reguläre Ausbildung übernommen, die Zeit des EQJ kann sogar an die Ausbildung angerechnet werden. Das Programm läuft auch 2007 weiter. Wir haben die Möglichkeit, über berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen, die Jugendlichen näher an die Arbeitswelt heran zu führen. Es gibt Praktika in Unternehmen und die Freiwilligen Jahre in verschiedenen Bereichen. Vielen jungen Leuten haben diese Möglichkeiten auch geholfen, ihre beruflichen Vorstellungen zu festigen, sich selbst zu finden und einen guten Einstieg in die Arbeitswelt zu bekommen. Den genauen Überblick und die Marktkenntnisse haben unsere Berufsberater; mit diesen Fachleuten engen Kontakt halten ist meine Empfehlung.
INTERVIEW: HOLGER SCHALLING |