Jugendweihe-Feiern in Angelroda und Gillersdorf 30.04.2007
30.04.2007 Jugendweihe-Feiern in Angelroda und Gillersdorf Die Kindheit ist nun „abgeschnitten“




VON NADINE ANSCHÜTZ UND INGRID LÖHL
ANGELRODA/GILLERSDORF 20 Jugendliche der Regelschule Geraberg und 24 junge Leute aus der Regelschule Großbreitenbach schritten am Samstag im Angelrodaer Dorfgemeinschaftshaus und dem Gillersdorfer Kulturhaussaal symbolisch in die Welt der Erwachsenen.

Damit fand in dem erst kürzlich nach seiner Sanierung wieder eröffneten Dorfgemeinschaftshaus Angelorda erstmals eine Jugendweihefeier statt. Eine Premiere ist diese in doppelter Hinsicht. Denn die Zeremonie ist nicht von einer professionellen Organisation, sondern von Eltern vorbereitet worden. Dass die Wangen von Sylke Elle mit ihrem purpurroten Blazer um die Wette leuchten, liegt nicht an der am Himmel brennenden Sonne. Sylke Elle ist aufgeregt. In wenigen Minuten soll beginnen, was sie und fünf andere Mütter und Väter vorbereitet haben. Als Ulf Annel, Kabarettist der Erfurter „Arche“ pünktlich vorfährt, rollen eine winzige Schweißperle von Sylke Elles Stirn und ein leises erleichtertes „Puhhh“ über ihre Lippen.

Mehr als ein halbes Jahr haben Sylke Elle und andere Eltern in die Vorbereitung der Jugendweihefeier gesteckt. Dazu zählte nicht nur, eine geeignete Lokalität zu finden und ein Programm zu konzipieren. Auch monatliche Ausflüge haben sie organisiert, um den Jugendlichen das Warten auf ihren großen Tag zu verkürzen. Das Planetarium in Jena, eine Gerichtsverhandlung im Amtsgericht Arnstadt und ein Besuch der KZ-Gedenkstätte Buchenwald standen ebenso auf dem Programm wie Kegel- und Eislaufabende. Selbst das Jugendweihebuch, das die Erinnerung an diese Zeit festhält, haben die Eltern selbst gestaltet. Dass sie diesen Aufwand nicht aus der Hand gegeben und sich an eine Jugendweiheorganisation gewendet haben, lag daran, „dass wir unabhängig sein und ein individuelles Programm zusammenstellen wollten“, erklärt Mutti Ivonne Heyer. „Außerdem konnten wir so die Klasse zusammenhalten“, fügt Mitorganisatorin Regina Ehrhardt hinzu.

Als diese achte Klasse der Geraberger Regelschule punkt 14 Uhr in den schönsten Kleidern und Anzügen an den rund 180 Gästen vorbeiflaniert, wissen die drei Mütter, dass sich die für sie doppelte Anstrengung – neben der offiziellen Zeremonie hatten sie schließlich auch die anschließenden Feierlichkeiten im eigenen Familienkreis organisiert – gelohnt hat. War all das doch für ihre Kinder, die nun nicht mehr so genannt werden wollen.

Dass sich diese ab heute erwachsen fühlen möchten, versteht die Martinrodaer Grundschullehrerin Kerstin Schramm, die ihre Wünsche an ihre ehemaligen Schüler in Gedichtform präsentiert. Und das versteht auch Kabarettist Ulf Annel. Deshalb stellt er an seine in Klavier- und Trompetenmelodien von zwei Instrumentalisten der Musikschule Arnstadt-Ilmenau gebettete Laudatio hohe Anforderungen: Locker soll sie sein, abwechslungsreich, ernst, lustig, cool und glücklich machend, weil zum Lachen bringend. Das Glück ist es dann auch, das er in den Mittelpunkt seiner Rede rückt, die er an die vor ihm sitzenden „menschlichen Wesen“ richtet, die an diesem Tag „ein Stück Leben, die Kindheit nämlich, abschneiden“. Annel versucht, in Worte zu fassen, was dieses Glück überhaupt ist, das man stets sucht und so oft hart erarbeiten muss. Anzumahnen, dass man dieser Arbeit – dem Ernst des Lebens – mit Spaß begegnen sollte, ist dem Laudator wichtig. „Denn wir leben nur einmal. Warum also sollten wir das Leben einer Miesmuschel führen?“

Mies drauf ist in den Minuten seiner Ansprache niemand. Jedoch: Lautes Lachen und stilles Nachdenken über das Gesagte wechselten sich im Saal stets ab. Und beides vereint sich, als Ulf Annel zum Nachsprechen eines gemeinsamen Jugendweihegelöbnisses auffordert: „Ich gelobe, ein Mensch zu werden!“

Eltern aus dem Herzen gesprochen

Der Traum vom Erwachsenwerden ist auch für 24 Schüler der Regelschule Großbreitenbach wahr geworden. Die 14-jährigen Schüler erlebten feierlich im „Schwarzburger Hof“ in Gillersdorf ihre Feierstunde zur Jugendweihe.

Der Jugendweihe Plus e.V. Arnstadt unter Leitung seiner Vorsitzenden Michaela Salzmann hatte mit Liebe zum Detail dafür gesorgt, dass aus diesem Tag etwas ganz Besonderes wird. Festlich gekleidet und für manchen Erwachsenen kaum wieder zu erkennen, zogen die Hauptakteure in den würdig geschmückten Saal ein. Traditionell folgte das Lied von Peter Maffey „Ich wollte nie erwachsen sein“, gespielt von der Erfurter Sunshine Music Band, und die Mädchen und Jungen fieberten dem großen Moment entgegen.

Obwohl sich die Achtklässler nach außen alle Mühe gaben, konnten sie doch ihre Aufregung und Nervosität kaum verbergen. Erwachsensein, was heißt das schon? Endlich mit „Sie“ angesprochen zu werden, endlich Discobesuche bis spät in die Nacht, Alkohol konsumieren zu dürfen ...? Nein, Verantwortung übernehmen und Konsequenzen für die eigenen Entscheidungen tragen. All dies müssten sie im Leben lernen und mit so manchen Sätzen sprach die Festrednerin den Eltern aus dem Herzen. War es doch erst vor einigen Jahren als ihre Kinder die Zuckertüte in die Hände gelegt bekamen und diese größer als ihre Kinder waren. Nun sind sie den Kinderschuhen entwachsen und schon teilweise einen Kopf größer als ihre Eltern. Der jetzt beginnende neue Lebensabschnitt sei einer der schönsten, bemerkte Michaela Salzmann und die Jugendjahre zählen zu den spannendsten im Leben. Bei der Findung des eigenen Weges dürften sie auch weiter darauf vertrauen, in ihren Eltern und Freunden Unterstützung bei der Verwirklichung ihrer Ziele zu finden. Sie wünschte den Jugendweihe-Teilnehmern persönliches Glück, den erhofften Traumjob und später den erträumten Partner fürs Leben.

Nach der feierlichen Gratulation durch Anne Weibezahl vom Jugendweiheverein richteten die Jugendlichen Tina Wilhelmi, Tina Scholz und Florian Stamprech Dankesworte an ihre Eltern und Lehrer für die Unterstützung in den letzten Jahren.

Tränen standen wohl allen Müttern in den Augen, als das Lied „Mutter, ich will dir danken für jeden Tag und jede Nacht, trotz deiner Sorgen hast du immer an mich gedacht“ erklang. Denn egal wie alt die Mädchen und Jungen sind, sie werden immer die Kinder ihrer Eltern sein.

Erleichterung spürte man bei den jungen Leuten (im Foto die Klasse 8a) nach der festlichen Zeremonie im „Schwarzburger Hof“ in Gillersdorf. - FOTO: LÖHL