Erfolgreicher Kampf um Privatschule
Erfolgreicher Kampf um Privatschule
Bildung: Auf Initiative der CDU soll Rüsselsheim im Regenbogenpark eine Europa-Schule bekommen – Beginn Herbst 2008? leer Rüsselsheim schickt sich an, seine unmittelbare Zukunft zu gestalten, und orientiert sich dabei an den Empfehlungen der Studie „Rüsselsheim 2020". Das wichtigste Projekt ist dabei das als „Leuchtturmprojekt“ bezeichnete Vorhaben Opel Forum, bei dem auf einem an Investoren verkauften Teil des Altwerks unter anderem ein Einkaufszentrum, Wohnungen, Oldtimermuseen, Büros und Lofts entstehen sollen.

Um die Stadt zukunftsfest zu machen, sind aber zahlreiche andere Initiativen nötig – auch um den Strukturwandel von der Industrie- zur Dienstleistungsstadt zu gestalten. Bei dem Bürgerforum zum Opel Forum hat Opel-Manager Dieter Krocker vor gut einer Woche angekündigt, das Unternehmen werde den Anteil „technischer Intelligenz“ noch ausbauen, das heißt, es werden weitere gut ausgebildete und verdienende Mitarbeiter nach Rüsselsheim kommen beziehungsweise hier Arbeit finden. Diese Bevölkerungskreise in der Stadt anzusiedeln oder zu halten, ist erklärtes Ziel des Magistrats.

Ein Teilbereich des teils noch zu schaffenden attraktiven Umfelds sind Privatschulen, wie im Rürup-Gutachten angeregt. Auf diesem Feld hat die CDU, speziell ihr Arbeitskreis Bildung und Kultur, bemerkenswerte Initiativen entwickelt: Besuche verschiedener Alternativ-Schulangebote zu staatlichen Schulen, intensive Gespräche und Informationsveranstaltungen, bei denen Vertreter von Montessori-, Waldorf- und anderen Schulen ihr Konzept in Rüsselsheim vorstellten.

Nun kann die CDU einen großen Erfolg ihres beharrlichen Kampfs feiern: Im Herbst nächsten Jahres will die Europa-Schule Dr. Obermayr im Regenbogenpark, dem früheren Azbill-Gelände, eine bilinguale private Realschule eröffnen (mehr auf dieser Seite). Bei einem Redaktionsbesuch im ECHO erläuterten Achim Weidner, Manfred Höll, Walter Lenz und Josef Heinz, alle engagiert im CDU-Arbeitskreis Bildung und Kultur, das Projekt.

Danach wird die Privatschule ihren Unterricht zunächst im ehemaligen Parteiheim der NSDAP beginnen und sich dort den Platz mit dem Sportkindergarten der TG teilen. Dr. Obermayr habe darüber hinaus „gewissermaßen auf Vorrat“ ein etwa 3000 Quadratmeter großes Gelände von der TG gekauft, auf dem später eigene Gebäude errichtet werden könnten. In der Anfangsphase teilt sich die Privatschule die vorhandenen Räumlichkeiten mit der TG, kann zum Teil auch deren Halle mitbenutzen. Nach Informationen der CDU liegen bereits rund 30 Anmeldungen für die Privatschule vor.

Als Motiv, sich für Privatschulen stark zu machen, nannte Walter Lenz das Drängen und Nachfragen von Ausländern der zweiten Generation, die sich um die Ausbildung ihrer Kinder sorgten. Lenz: „Das sind Gutintegrierte und Selbstständige, die sich – wie unsere Nachkriegsgeneration – krumm legen, damit es ihren Kindern besser als ihnen selbst geht.“ Viele sagten uns, sie zögen aus Rüsselsheim weg, wenn es kein entsprechendes Angebot gebe. Man werde als Kommunalpolitiker auch von anderen Eltern angesprochen, warum es keine Privatschule in Rüsselsheim gibt, ergänzte Manfred Höll.

Bei den Informationsveranstaltungen, so Achim Weidner, seien oft bis zu 200 Besucher gekommen, allenfalls zehn Prozent seinen CDU-Mitglieder gewesen: „Das ist ein Indikator für das große Interesse in der Bevölkerung an Privatschulen.“

Josef Heinz erinnerte daran, dass seine Partei schon seit den siebziger Jahren in Hessen „gegen Einheitsschulen und für Vielfalt“ kämpfe: „Wir brauchen Vielfalt, um Begabungsreserven zu heben.“ Lobend wies er auf die Am Brückweg ansässige private Schule für Teilleistungsgeschädigte („Tor zum Lernen“) hin. Wenn die Defizite solcher Kinder früher entdeckt und behoben würden, gebe es nicht so viele Abbrecher. In großen Klassen könnten leider nicht alle Schüler gefördert werden, betonte Heinz und ist in diesem Punkt „nicht besonders glücklich“ mit der von der CDU-Landesregierung verantworteten Schulpolitik.

Manfred Höll will deshalb in Wiesbaden dafür streiten, dass die starre Maximal-Klassengröße in Hessen (30 Schüler plus zehn Prozent) flexibler gehandhabt wird. Die Landespolitiker müssten berücksichtigen, dass es in Rüsselsheim oft keine homogene Klassen gebe, sprich ein hoher Ausländeranteil kleinere Klassen erfordere. Generell, unabhängig von Privatschulen, sagte Schulmann Höll, wäre es gut, wenn sich die Schule insgesamt verändern würde. Die hohe Zahl der Nichtversetzten müsse dringend gesenkt werden. Auch dazu seien weitere Impulse von Kommunalpolitikern an die Landespolitik nötig.

Nach den Worten Weidners und Hölls ist die CDU kein Gegner der öffentlichen Schulen, sondern mache sich gemeinsam mit anderen Parteien auch Gedanken, wie man Schulen in öffentlicher Trägerschaft verbessern könne. Man sei aber für Konkurrenz und Vielfalt – und „gegen eine verkopfte Schule“, wie Höll betonte. Das praktische Lernen („nicht klassisches Werken, sondern technische Fähigkeiten“) komme zu kurz. Dabei zeige sich im Alltag, wer als Schüler auf diesen Gebieten Erfolge erziele, mache meist auch erhebliche Fortschritte auf theoretischem Gebiet und im Sozialverhalten.

Bei diesem Aspekt, so Heinz, tue sich die Europa-Schule leichter als staatliche Schulen. Bei diesem praktischen Lernen denkt die CDU aber nicht an das dänische Modell der Werkschulen, wie es Bernd Heyl (Linke Liste) des öfteren empfohlen habe, denn es richte sich an junge Menschen, die „mit 15, 16 oder 17 aus der normalen Schule gefallen“ seien. Man müsse aber nach CDU-Ansicht viel früher ansetzen. Walter Lenz sieht eher sogenannte Produktionsschulen als Vorbild, die sich die CDU in Oberhessen angeschaut hat.

Diese Schulform, so die CDU, fordere aber auch einen neuen Lehrertyp. Als Lehrer-Assistent kann sich Höll zum Beispiel Meister und Altgesellen vorstellen.

Achim Weidner kündigte für den Herbst eine neue Art von Antrag an: „Wir wollen weg vom üblichen Haushaltsbegleitantrag des Knickens, Lochens, Abheftens. Stattdessen wollen wir beispielsweise Bürgermeister Jo Dreiseitel eine Zielvorgabe machen, er solle unter dem Stichwort ,Jungen-Pädagogik’ für weniger Schulabbrecher sorgen – mit Umschichtungen und Maßnahmen ganz nach seiner Wahl.“ Und Höll bekräftigte: „Wir wollen Diskussionen anstoßen“. Anscheinend mit Erfolg. „Auch Rürup betonte die Wichtigkeit von Privatschulen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Rathauskoalition jetzt auf den fahrenden Zug aufspringt.“

Harald Pleines
30.8.2007