Zur politischen Neutralität in Schulen

Die AfD-Fraktion Thüringen wähnt die politische Neutralität innerhalb der Thüringer Bildungslandschaft in Gefahr und versendet einen offenen Brief an rund 1.000 Schulen im Land. Inhaltlich wird vom Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke behauptet, dass “in Schulen das «für den weltanschaulich neutralen Staat besonders hohe Gut der politischen Neutralität gegenwärtig als gefährdet» anzusehen sei.
Björn Höcke ist Studienrat für Geschichte und, aufgrund seines Landtagsmandates in Thüringen, beurlaubter Beamter. Somit unterliegt Herr Höcke nicht wie andere Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Beruf auch tatsächlich ausüben, dem Mäßigungsgebot. Deshalb kann er die Aufarbeitung der NS-Verbrechen als „dämliche Bewältigungspolitik“ bezeichnen, eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordern und in Reden propagieren, dass die deutsche Geschichte im Schulunterricht „mies und lächerlich gemacht werde“, ohne eine Suspendierung wegen der Verletzung eben dieses politischen Neutralitätsgebots fürchten zu müssen. Es mutet geradezu als Hohn an, dass ausgerechnet dieser Geschichtslehrer nun politische Neutralität von seinen Kolleginnen und Kollegen einfordert.
Die Thüringer Landeselternvertretung greift Herrn Höckes Sorgen an dieser Stelle auf, um der durch das Thüringer Schulgesetz geregelten Möglichkeiten und Grenzen der persönlichen Meinungsfreiheiten von Lehrkräften genauer zu beleuchten: Die Lehrkraft darf selbstverständlich die eigene Meinung äußern. Sie muss ebenso selbstverständlich dafür sorgen, dass die Meinungen der SchülerInnen zur Geltung kommen und sie darf dabei nicht den Eindruck erwecken, als wolle sie die SchülerInnen einseitig beeinflussen. Die Förderung des eigenständigen Lernens und des eigenverantwortlichen Handelns und die Vermittlung von Werten auf Grundlage des § 34 des Schulgesetzes ist Pflicht aller Lehrkräfte.
Generell gilt die Schule als „politisch neutraler Raum“. Für politische Parteien, Bürgerinitiativen u. ä. darf nicht geworben werden; das Auslegen von Wahlkampfmaterialien z. B. ist nicht statthaft. Gleiches gilt für Unterschriftensammlungen, egal zu welchem Thema.
In diesem Zusammenhang erinnern wir uns nur ungern an die Versendung politischer Programmatik an die Elternvertretungen über deren Schulen eben durch die AfD während der letzten Bundestagswahl (LEV berichtete).

Umso befremdlicher erscheint, dass die bildungspolitische Sprecherin der AfD, Wiebke Muhsal, es völlig normal findet, wenn ihre Partei in einzelnen Fällen Schulen direkt anschreibt, wenn.von Seiten der Schülern oder Eltern konkrete Beschwerden kämen. Ein absurder und bisher einzigartiger Vorgang, dass eine Partei, sich direkt in die Schulbelange einmischt. Für den Fall des Nichteinhaltens der politischen Neutralitätspflichten ist zuvorderst die Dienstaufsicht der Lehrer zuständig. Dass eine politische Partei, deren größte Sorge aktuell eine mögliche Beobachtung durch die Landesverfassungsämter ist, sich zum obersten Wächter der Einhaltung politischer Neutralität berufen fühlt, ist eine der Absurditäten, denen wir gegenüberstehen. Begleitet wird diese Groteske durch parlamentarische Anfragen der Abgeordneten Wiebke Muhsal, die offensichtlich darauf gerichtet sind, die Namen von Schulen zu erhalten, die an Demokratieprojekten teilnahmen.
In all den Jahren haben wir als Landeselternvertretung keine einzige Beschwerde von Eltern wegen der Verletzung des politischen Neutralitätsgebots durch Lehrer erhalten.
Aus unserer Sicht als Landeselternvertretung baut die AfD durch solch offenen Briefe und Anfragen subtil Druck auf das System Schule auf, um dieses in ihrem Sinne durch Angst und Repression zu steuern. Ein wirkliches bildungspolitisches Konzept hat die AfD Thüringen, die bisher nur mit dem Thema „Frühsexualisierung“ in Erscheinung trat, bis heute nicht aufzuweisen. Als Landeselternvertretung fordern wir:
1. Mehr Demokratieprojekte an Schulen!
Denn Demokratie muss erklärt werden: Kinder müssen wissen warum es eine Gewaltenteilung gibt, warum es Grenzen gibt, warum gesellschaftliche Minderheiten geschützt werden müssen, denn Demokratie ist die Grundlage unseres Staates und unserer Gesellschaft.
2. Hände weg vom Lehrer!
Das Aufbauen eines Angstszenarios, das Erzeugen von Druck auf unsere Lehrerinnen und Lehrer durch Heraufbeschwören eines Klimas der Denunziation erinnert an die schrecklichen Geschehnisse der letzten beiden Diktaturen auf deutschem Boden. Dem stellen wir uns entschieden entgegen.
3. Stärkung von demokratischen Mitwirkungsgremien an Schulen
Eine starke Eltern- und Schülervertretung in Thüringer Schulen ist gelebte Demokratie an Schule! Damit dieses ehrenamtliche Gremium funktioniert, braucht es Raum, Kraft, Zeit und Engagement. Als Elternvertreter sind wir auf Informationen aus den Elternversammlungen, den Schulämtern und Ministerium angewiesen. Nur so können wir unseren Job als ihre gewählten Vertreter ausüben.
Deshalb unser Appell, Liebe Eltern: Sprechen Sie miteinander und nicht übereinander!
Wir helfen Ihnen gern.
Kontakt: info@lev-thueringen.de