Thüringer Lehrer, Eltern und Schüler verabschieden gemeinsame Resolution

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Erfurt, 12.11.2015 – Mit einer gemeinsamen Resolution zur Beschulung von Flüchtlingskindern haben sich Thüringens Eltern, Lehrer und Schüler am heutigen Vormittag an die Verantwortlichen der Bildungs- und Integrationspolitik im Freistaat gewandt. Das von tlv thüringer lehrerverband, Landeselternvertretung (LEV) und Landesschülervertretung (LSV) unterzeichnete 10-Punkte-Programm umfasst die aus der Sicht aller an Schule Beteiligten unverzichtbaren Grundvoraussetzungen für eine gelingende Integration.

Die Bildung der Kinder und Jugendlichen sei ein Thema, das keinen Aufschub dulde, so die Unterzeichner der Resolution. Daher müssten an Thüringens Schulen schnellstmöglich „Bedingungen geschaffen werden, die absichern, dass alle Kinder – ob mit oder ohne Migrationshintergrund – entsprechend ihren jeweiligen Fähigkeiten bestmöglich beschult werden.“ Diese Bedingungen seien derzeit mangels ausreichender finanzieller und personeller Ressourcen nicht gegeben. Daher zeigen tlv, LEV und LSV im Rahmen ihrer Resolution nun konkrete Lösungsansätze auf.

Eines der zentralen Probleme sei die unzureichende Anzahl von Pädagogen im Freistaat. „Selbst in Bayern, wo die Einstellung von 1700 zusätzlichen Lehrern bereits beschlossen worden ist, sagen die Kollegen vom Lehrerverband, dass jeder vorbeikommende Lehrer mit dem Lasso eingefangen werden müsse. Hier in Thüringen sind die Bedingungen für die Absolventen noch viel ungünstiger“, gibt Rolf Busch, Landesvorsitzender des tlv, zu bedenken und spielt damit auch auf die nach wie vor nicht wieder eingeführte Verbeamtung der Thüringer Lehrer an. „Schon allein wegen der Altersabgänge fehlen uns etwa 600 Lehrer. Dieser Mehrbedarf potenziert sich aufgrund der aktuellen Situation noch. Wir brauchen Willkommensklassen, Doppelbesetzungen im regulären Unterricht und außerdem ein starkes interdisziplinäres Netzwerk aus Sozialpädagogen, Psychologen und Dolmetschern.“

Außerdem, so Busch weiter, sei das, was Thüringens Schulen derzeit erleben, erst der Anfang. „Wir haben aktuell bereits 800 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge hier. Diese Zahl wird noch steigen. Und für diese Kinder und Jugendlichen besteht eine sofortige Schulpflicht.“ Hier sei nun auch Thüringens Migrationsminister Dieter Lauinger in der Pflicht. Dieser habe jedoch bei einem Interview mit der Mitgliederzeitschrift bei allen Fragen zur schulischen Integration immer wieder ausschließlich auf die Kultusministerin verwiesen. „Aber mit dem Bau von Erstaufnahmeeinrichtungen ist es nicht getan“, konstatiert Busch. „Wer als Integrationsbeauftragter nicht auch das schulische Umfeld im Blick hat, denkt auf höchst fahrlässige Weise kurzfristig.“

Auch die Thüringer Eltern sehen die Politiker in der Pflicht. Roul Rommeiß, Vorsitzender der LEV, hat vor allem eine Sorge: „Es darf bei aller Schwierigkeit nicht sein, dass das Problem Flüchtlingskinder gegen das Problem Bildung ausgespielt wird. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entsteht, dass zugunsten der Integration die Ressourcen für die Schüler ohne Migrationshintergrund gekürzt werden. Denn so würde eine Konkurrenzsituation entstehen, die der Sache überhaupt nicht dient.“ Stattdessen, so der LEV-Vorsitzende, müssten jetzt mutig Zusatzinvestitionen in die Zukunft getätigt werden. Die Rolle der Familien könne dabei gar nicht hoch genug eingeschätzt werden: „Kinder und ihre Eltern sind oftmals offener gegenüber Gleichaltrigen und deren Eltern. Insoweit bietet die Schule Chancen zur sozialen Einbindung und damit zur Integration. Wahrhaftige Willkommenskultur bedarf aufrichtigen Engagements der Zivilgesellschaft und professionell strukturierter Rahmenbedingungen des Staates. Die Landeselternvertretung sieht sich hierbei in der Pflicht.“

Die richtige Einstufung der Flüchtlingskinder ist ein Thema, das der Landesschülervertretung besonders am Herzen liegt. „Wir machen immer wieder die Erfahrung, dass die Kinder mehr Zeit zum Ankommen brauchen. Natürlich sollen sie möglichst schnell in die Schule gehen, das aber ohne übermäßigen Leistungsdruck“, erklärt Maximilian Reichel-Schindler, Vorsitzender der LSV. „Deswegen machen sich Thüringens Schülersprecher dafür stark, dass die Sechsjährigen zunächst noch ein Jahr im Kindergarten bleiben – und dass bei der Klasseneinstufung nicht nur das Alter, sondern auch der individuelle Bildungsstand sowie die aktuelle psychische Verfassung berücksichtigt werden.“

Mit der gestern verabschiedeten gemeinsamen Resolution hoffen die Unterzeichnenden, den Handlungsträgern praxisnahe Strategien an die Hand zu geben. „Es geht uns nicht darum zu kritisieren“, stellt Busch klar. „Wir müssen jetzt alle an einem Strang ziehen, um diese leidgeprüften Kinder und Jugendlichen in unsere Bildungslandschaft zu integrieren.“ Denn auch da sind sich Eltern, Lehrer und Schüler einig: „Niemand in diesem Land kann wollen, dass wir es nicht schaffen!“