Stellungnahme der LEV zum neuen Schulgesetz

„#r2g in#Thüringen hat geliefert…“ war eine der Schlagzeilen, die Bildungsminister Holter nach Verabschiedung der Novelle des Thüringer Schulgesetzes verlauten ließ.

Als ob das „Liefern müssen“ Kern des politischen Handelns wäre. Wir erinnern: Der Lieferprozess begann bereits im Herbst 2016 mit den ersten Vorstellungen zu einem Inklusiven Thüringer Schulgesetz, die auf breite Ablehnung stießen, und zog sich, nach einigen Momenten der Schockstarre, bis in den Juni 2019.  Was bleibt übrig vom ehrgeizigen Vorhaben der Regierungskoalition?

Zunächst ein bitterer Beigeschmack. Das Gesetzgebungsverfahren wurde in der Endphase zunehmend Sklave eines zeitig aufgenommenen Landtagswahlkampfes und die Argumentationen lassen hier und da an Rationalität vermissen. Die Opposition behauptet, durch das Thüringer Schulgesetz würde keine neue Lehrerstelle geschaffen. Recht hat sie. Die Novelle des Thüringer Schulgesetzes ist und war auch in der bisherigen Fassung nicht Rechtsquelle für Personalangelegenheiten des Freistaats. Auf der anderen Seite der Bildungsminister, der nach quälend langen Wochen der öffentlichen Diskussion über den Gesetzentwurf einwarf, dass die vorgeschlagenen Mindestschülerzahlen als Provokation gedacht waren. Sowohl Ehrenamtliche als auf beruflich mit dem Entwurf befasste durften sich an dieser Stelle tatsächlich provoziert gefühlt haben. Eine solche Aussage entwertet die mehrjährige Mitwirkung am Gesetzentwurf, am Finden von Konsens und am Streit um die besten Lösungen im Interesse von Schülern, Eltern und Lehrern über Nacht.  

Zurück bleibt eine in Teilen stark polarisierte Elternschaft, fixiert in Sorge um das gesicherte Fortkommen des eigenen Kindes.

Irritiert hat uns in diesem Zusammenhang die Aussage des Bildungspolitischen Sprechers der Opposition, der in seiner Rede zur Gesetztes Verabschiedung die „Einheitsschulen“ kritisierte. An dieser Stelle möchten wir einen pädagogischen Förderbedarf detektieren, denn als Bildungspolitischer Sprecher und ausgebildeter Lehrer setzen wir das Wissen um die Konzepte der Gemeinschaftsschulen voraus: Thüringer Gemeinschaftsschulen zeichnen sich heterogeneren Schulgemeinschaft aus, in welchen das Konzept des längeren gemeinsamen Lernens umgesetzt wird. Dies erfordert ein hohes Können und Engagement des Lehrerkollegiums. Eine Schulart als „Einheitsschule“ abzukanzeln, zeugt von Ignoranz und Nichtwertschätzung der Arbeit, die Lehrer, Eltern und Schüler mit sehr viel Engagement und Herzblut aufbringen und ist dem Erhalt des Schulfriedens nicht dienlich.

Wir wollen an dieser Stelle auf das Widerholen unserer Gründe zur Ablehnung des Gesetzentwurfs verzichten. Der Unterschied zwischen Gesetzestheorie und Gesetzeswirklichkeit wird noch früh genug erkannt werden.  

Und tatsächlich wird die Unterrichtsgarantie, die Absicherung des gemeinsamen Unterrichts, eine der zentralen Aufgaben, egal welcher Landesregierung.

Mahnen wollen wir ausdrücklich in Hinsicht auf die noch zu erledigenden Hausaufgaben, die wegen des Gesetzgebungsverfahrens vielleicht zu kurz kamen:

Der Digitalpakt ist in Thüringen mit Leben zu erfüllen. Dies lediglich als Aufgabe der Medienausstattung zu sehen, ist viel zu kurz gedacht. Digitale Bildung muss sich in Lehrplänen, in Aus- und Fortbildung, in Schulentwicklung wiederfinden und ist damit ebenso Sache des Bildungsministeriums wie das Klären der Frage nach der Lehr- und Lernmittelfreiheit im digitalen Bereich.

Schulbau und –Sanierung werden wohl noch ganze Eltern- und Schülergenerationen betreffen. Nicht nur mit Erfurt steht ein Schulträger vor der Frage, wie die Finanzierung solch umfangreicher Maßnahmen verlässlich geschultert werden soll. Es sei ausdrücklich gewarnt: Fehlplanungen, Zusammenstreichen von Sanierungsmaßnahmen mit dem Zweck, die Finanzierbarkeit nur irgendwie herstellen zu wollen, führt lediglich dazu, das eigene Unvermögen auf weitere Jahrzehnte zu zementieren.

Wohl deshalb wurde es bisher auch vermieden, die Schulbau- und Raumprogrammempfehlungen des Freistaats Thüringen, die immerhin schon 22 Jahre alt sind, auf einen aktuellen Stand zu bringen. Man muss sich das vorstellen: Bildung für das 21. Jahrhundert erfolgt noch immer in Bildungs- und Erziehungsanstalten, die baulich den Erfordernissen des 19. und 20. Jahrhunderts entsprechen.

Die Diskussion um die Schulessenversorgung muss aufgenommen werden. Dass es hier erheblichen Verbesserungs- und Regelbedarf gibt, lässt sich an den Presseberichten des vergangenen Jahres überdeutlich erkennen.

Nur einige Baustellen, die es zu bedienen gilt.