Gerade erst gewählt, traf sich am 23.11.2016 die Thüringer Landeselternvertretung mit Mitgliedern der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag. Im Rahmen der turnusmäßigen Gespräche mit Vertretern der Landespolitik waren die bildungspolitischen Problemfelder schnell abgesteckt.
Oberste Priorität nimmt die personelle Absicherung des Unterrichts an den staatlichen Thüringer Schulen ein. Neu ist das Thema wahrlich nicht, die LEV fordert seit Jahren ein energisches Handeln bei der Neueinstellung von Lehrern. Es scheint jedoch, als habe der Personalmangel an den Schulen eine neue Qualität erreicht. In den kommenden fünf Jahren wird ein Viertel des Thüringer Lehrerpersonals in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Allein 500 Neueinstellungen im Jahr decken die dadurch aufgerissenen Lücken gerade einmal zur Hälfte ab. Und als wäre diese Bilanz nicht erschreckend genug, führt die derzeitige Regierungskoalition eine öffentliche Diskussion über den weiteren Personalabbau in Thüringen. Dabei scheinen Ministerpräsident und Finanzministerin das Zepter des Spardiktats gegen die logischen Sachzwänge des Bildungsressorts zu führen. Christian Tischner als bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Thüringer Landtag kündigte einen Lösungsansatz seiner Fraktion an, der gerade in Prüfung sei.
Die Landeselternvertretung fordert ausdrücklich, den Korridor der Neueinstellungen deutlich zu erweitern, um den Unterricht an den staatlichen Thüringer Schulen zu sichern.
Mit dieser Thematik eng verbunden ist der Arbeitsentwurf eines Inklusiven Thüringer Schulgesetzes. Aus organisatorischer Sicht stellt Inklusion einen zusätzlichen Ressourcenbedarf dar. Das Schließen der Förderzentren wird nicht automatisch zu einem Ressourcengewinn, sondern zum Einrichten von „Quasi-Förderzentren“ an den allgemeinbildenden Schulen führen, verbunden mit der Hoffnung, „es möge schon irgendwie gehen…“ Das Verlagern von Sonderpädagogik in die allgemeine Pädagogik mit der zu erwartenden Ressourcenknappheit macht aus Lehrerinnen und Lehrern eine eierlegende Wollmilchsau und wird den Schulalltag schwer belasten. Im Ergebnis laufen wir damit Gefahr, eine allgemeine Ablehnung von Inklusion zu produzieren.
Die Landeselternvertretung fordert ausdrücklich, dass die sächlichen, räumlichen und personellen Voraussetzungen für ein Gelingen von Inklusion vollumfänglich bereitgestellt werden, bevor gemeinsamer Unterricht an den staatlichen Thüringer Schulen bedingungslos vorangetrieben wird. Inklusion in der Form gemeinsamen Unterrichts wird sonst an den fehlenden Ressourcen scheitern.
Emotional beladen ist das Thema Schulstrukturen im ländlichen Bereich. Die Landeselternvertretung hat sich bereits kritisch dazu geäußert, Schulstandorte schleichend über das Ausdünnen von Personal aufzuheben. Schulnetzplanung ist nach geltendem Recht Aufgabe der Schulträger. Wir verschließen uns keinen ernsthaften Gesprächen über das Gestalten effektiver Schulnetze. Zwingende Voraussetzung ist dazu die Sicherung eines vollumfänglichen Bildungsangebots, das unter zumutbaren Bedingungen im Bereich des Schulträgers zu erreichen ist. Eine Konkurrenz zwischen Städten und zu Lasten des ländlichen Bereichs um frei werdendes Personal versperrt den Blick auf die Menschen, die sich dann in den löchrigen Schulnetzen zurechtfinden müssen. Keinem ist mit stundenlanger Schülerbeförderung geholfen.
Noch immer bietet das Thema „Klassenfahrten“ ausreichendes Konfliktpotential. Die Kürzung der Haushaltsmittel verbunden mit einhergehender Schaffung eines bürokratischen Monsters hat dazu geführt, dass nicht wenige beabsichtigte Klassenfahrten gar nicht erst beantragt wurden. Es wäre daher widersinnig, das Jahr 2016 als Referenz für einen haushalterischen Ansatz kommender Jahre anzusetzen. Die Landeselternvertretung hat bei all den gefühlten und realen bürokratischen Hürden kein Verständnis dafür, dass es Fälle gibt, in denen Klassenfahrten eben deswegen nicht beantragt wurden. Lernen am anderen Ort muss es Wert sein, dafür ein paar konzeptionelle Sätze niederzuschreiben.
Die Landeselternvertretung verkennt nicht, dass die geschilderten Themenkomplexe über einen längeren Zeitraum angewachsen sind. Vielerorts hat die Duldungsbereitschaft von Eltern jedoch ihre Grenzen erreicht. Anspruch und Lebenswirklichkeit sollten endlich wieder zueinander finden.